junge Welt, 23.1.2012


Aus Leserbriefen an die Redaktion

Wahrzeichen und Attraktion

- zu jW vom 19. Januar 2012: »Banane statt Marx«


Fast zeitgleich mit dem Verschwinden der Linkspartei aus dem Berliner Senat verschärft sich die »Geschichtsentsorgung« in der Hauptstadt. Marx und Engels können doch nicht in der Nähe eines wieder aufzubauenden Schlosses – genannt Humboldt-Forum – bleiben. Sondern – da war doch gerade wieder etwas in Friedrichsfelde – ja, richtig: Sie gehören auf den Friedhof! Diese am 15. Januar dieses Jahres wieder von Zigtausenden Menschen, jungen und alten, besuchte Gedenkstätte der Sozialisten nennt Bundesbauminister Ramsauer verächtlich und dümmlich »eine Art sozialistisches Reste-Zentrum«. Das zeigt, wes Geistes Kind dieser Minister ist. Ihn scheint Geschichte nur als gegenwärtig kapitalistische zu interessieren. Daß die Statuen von Marx und Engels nicht nur Wahrzeichen einer der wichtigsten deutschen Epochen sind, sondern auch eine Touristen-Attraktion darstellen, scheint dem CSU-Mann fremd. Oder hat er etwa Angst vor Statuen, deren Geschichte in der heute krisengeschüttelten Zeit so aktuell wie lange nicht sind? Gerade sie gehören ins Zentrum einer so geschichtsträchtigen Stadt wie Berlin. Ein anderes wichtiges Wahrzeichen der Hauptstadt der DDR, den Palast der Republik, hat man ja mit fadenscheinigen Begründungen und viel Geld abgerissen. Und die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals wurde auf schmähliche Art und Weise dem Erdboden gleichgemacht. Daß es den Geschichtsfälschern nie gelingen wird, eine Epoche der deutschen Geschichte zu leugnen, indem sie Tabula rasa machen mit deren Denkmälern, beweisen nicht nur die jährlichen Thälmann-Veranstaltungen, sondern gerade an besagtem Wochenende die Massen, die mutig und selbstbewußt »Sozialismus statt Barbarei« forderten. Es ist zu hoffen, daß die verantwortlichen Politiker, daß der Berliner Senat den schamlosen Ideen Ramsauers entgegentreten.

            Eva Ruppert, Homburg



Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/01-23/007.php

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