Mit Hilfe von Spenden und finanzieller Unterstützung der Stadt Königs Wusterhausen, sowie eines Berliner Unternehmers konnte der Freundeskreis „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte“ e. V., Ziegenhals endlich den zweiten Band der „Ziegenhalser Reden“ herausgeben. Wie auch im ersten Band sind hier die Reden dokumentiert, die auf den drei jährlichen Kundgebungen (Februar – Jahrestag der illegalen ZK-Tagung der KPD, April – Geburtstag Ernst Thälmanns, August – Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns im KZ Buchenwald) in Ziegenhals gehalten wurden. Band 2 umfasst insgesamt 28 Reden, von der Schließung 2003 bis 2008, einschließlich der Beiträge der wissenschaftlichen Konferenz des Freundeskreises mit bekannten Historikern, wie Kurt Gossweiler u.a., am 26. November 2006 im Karl-Liebknecht-Haus.
Leider mussten die meisten Reden seit Juni 2003 vor der Gedenkstätte gehalten werden, da der Eigentümer das Betreten des Grundstückes untersagt hat. Dennoch ist es dem leitenden Ministerialbeamten des Landes Brandenburg bisher noch nicht gelungen, den Denkmalschutz aufzuheben und die Gedenkstätte von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Die meisten Kundgebungen sind seither neben dem Gedenken zugleich als Protestveranstaltungen zu verstehen.
Als zentrale Figur der Arbeiterbewegung und KPD-Vorsitzender beziehen sich alle Beiträge auf Ernst Thälmann, der am 7. Februar 1933 hier im „Sporthaus Ziegenhals“ die erste Ziegenhalser Rede hielt. Auf der illegalen Tagung des ZK der KPD am 7. Februar 1933, eine Woche nach der Machtübergabe an Hitler, hielt Thälmann seine letzte Rede vor diesem Kreis. Er rief auf zur Einheitsfront aller Gegner des Naziterrors, als letzte Möglichkeit der Verhinderung eines faschistischen Regimes. Obwohl sich alle Redner auf Thälmann beziehen, sucht man Wiederholungen vergeblich. Die Beiträge unterscheiden sich stark voneinander. Sie sind geprägt von den einzelnen Rednerinnen und Rednern, von ihren Erfahrungen und von ihrem politischen, bzw. beruflichen Umfeld. Die Rednerinnen und Redner sind Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und zugleich Vertreterinnen und Vertreter linker Parteien oder Organisationen.
Besonders interessant finde ich die Beiträge, denen es gelungen ist, einen Zusammenhang zu schaffen zwischen den eigenen persönlichen Lebenserfahrungen und der Geschichte. Beispielhaft ist da die Rede von Kurt-Julius Goldstein, der als Kind zum Kriegsgegner wurde, nachdem sein Vater 1920 an den Folgen des Ersten Weltkrieges sterben musste. Als die Sozialdemokraten 1928 zum Bau der Panzerkreuzer A und B ihre Zustimmung gaben und damit den Weg zum zweiten Weltkrieg ebneten, wurde aus dem jungen Kriegsgegner ein Kommunist. So sei hiermit die Brücke geschlagen zu dem Jungkommunisten und Totalverweigerer Ringo Ehlert, der am Ende seiner Rede festhält: „Wir jedoch haben unsere Lage erkannt, wie sollen wir da aufzuhalten sein? Siemens, Daimler, Deutsche Bank ihr habt schon lange verloren, eure Zeit ist abgelaufen.“
Die Ziegenhalser Reden in der Tradition des Freundeskreises erfassen die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Widerstandskampfes, vor allem der Kommunisten, aber auch der Sozialdemokraten und Christen. Sie beinhalten sowohl Auseinandersetzungen mit der DDR als auch mit der Politik in der heutigen Bundesrepublik, die mit verantwortlich ist für die Schließung der Gedenkstätte. Sie thematisieren den Faschismus vergangener Epochen und den aufkommenden Neonazismus in unserem Lande. Der Zusammenhang zwischen Geschichte und aktuellem politischen und gesellschaftlichen Geschehen wird in allen Reden hergestellt. Dem Leser eröffnet sich ein breites Spektrum linker Bewegungen aus Ost und West, aus dem In- und Ausland. Die Ziegenhalser Reden sind ein gelungener Beitrag zur Einheit der politischen Linken, sowie humanistischer und fortschrittlicher Kräfte, ein lebendiges Geschichtsbuch, das in alle Bücherregale gehört – vor allem in das der Schulbibliotheken.
Ulla Ermen